Methoden

Welcher Mittel bedient sich die FAU Göttingen?

Den Hebel an der richtigen Stelle ansetzen

Um unsere Interessen wahrzunehmen, bedienen wir uns der direkten Aktion. Dieser Ansatz bedeutet, dass wir die Macht, die in unserer Arbeits- und Kaufkraft gründet, selbstorganisiert und unmittelbar ausüben – von der kollektiven Drohung bis zum Streik oder Boykott. Über die Gewerkschaft lässt sich diese Macht verstetigen letztlich die demokratische Umorganisierung der Produktionsmittel und der Güterverteilung herbeiführen.

In diesem Sinne verfolgt die FAU eine sozialrevolutionäre Strategie. Wir zielen also auf eine Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse von unten ab. Schließlich sind die Machtverhältnisse durch die Arbeits- und Sozialbeziehungen bestimmt. In diese Sphäre wollen wir direkt eingreifen, ohne Umweg über den Staat, auch wenn indirekte Methoden (Proteste, Gerichtsverfahren usw.) manchmal taktisch sinnvoll sein können.


Inhalt:
Betriebsarbeit – Wie geht die FAU Göttingen in den Betrieben vor?
Betriebsräte – Wie geht die FAU Göttingen mit Betriebsräten um?
Tarifpolitik – Wie verhält sich die FAU Göttingen im Tarifgeschehen?
Gewerkschaftsfreiheit – Wie geht die FAU Göttingen mit den rechtlichen Bedingungen um?
Sozialorganisation – Was macht die FAU Göttingen jenseits der Betriebe?
Kollektivbetriebe – Welchen Stellenwert haben Kollektivbetriebe für die FAU Göttingen?
Konsum – Wie bezieht die FAU Göttingen den Konsumbereich ein?


Betriebsarbeit – Wie geht die FAU Göttingen in den Betrieben vor?

Zu unseren Aufgaben gehört es, Kolleg_innen zu unterstützen, die kollektiv im Betrieb aktiv werden wollen. Mit Betrieben meinen wir nicht nur Produktionsstätten, sondern alle wirtschaftlichen und sozialen Einheiten, für die Lohnabhängige Arbeit erbringen. Durch gewerkschaftliche Strukturen im Betrieb schaffen wir ein demokratisches Gegengewicht zu der Verfügungsgewalt, die „Arbeitgeber“ über einen wesentlichen Teil unseres Lebens haben.

Natürlich sind es die Mitglieder selbst, die sich mit den Problemen in ihrem Betrieb am besten auskennen. Die Gewerkschaft kann ihnen jedoch bei der Organisierung helfen, einen schützenden Rahmen bieten und zu einer dauerhaften Organisationsmacht im Betrieb beitragen. Sie hilft auch dabei, die Situation in der Branche, im lokalen Umfeld und die allgemeine juristische Lage beim betrieblichen Vorgehen zu berücksichtigen.

Wir wollen starke Betriebsgruppen, also Zusammenschlüsse von Kolleg_innen, die eine Betriebsöffentlichkeit herstellen. FAU-Betriebsgruppen sollten daher für alle Kolleg_innengruppen offen sein und die Belegschaft – auch Nicht-Mitglieder – bestmöglich einbeziehen. Die Entwicklung dieser betrieblichen Gegenkultur betrachten wir als Voraussetzung dafür, die gegebenen Betriebshierarchien überwinden zu können.


Betriebsräte – Wie geht die FAU Göttingen mit Betriebsräten um?

Unser Verhältnis zur Institution Betriebsrat (BR) ist zwiespältig. Als staatlich reglementiertes Organ eignet er sich nur begrenzt für die Durchsetzung von Arbeiter_inneninteressen. Zumal die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Basis stark beschränkt sind. Und oft befördert die Existenz eines BR die lethargische Einstellung: „Die kümmern sich schon, dafür sind sie ja gewählt“. Dies gilt umso mehr, wenn BR-Mitglieder von der Arbeit freigestellt sind.

Soweit die Kritik. In der Praxis muss jedoch geschaut werden, wo Betriebsräte taktisch sinnvoll sind. Deren gesetzlicher Kündigungsschutz kann ein wichtiges Moment sein, um offene Basisarbeit zu unterstützen. Bedeutsam als Werkzeug und Katalysator von gewerkschaftlichem Handeln sind auch die Auskunftsrechte und Schulungsansprüche eines BR gegenüber der Firma.

Der BR hat über die Einhaltung von Mindeststandards zu wachen. Daher stellt er in Kleinbetrieben, wo meist die „familiäre“ Willkür des Chefs waltet, oft schon einen großen Fortschritt dar. Doch die Mitbestimmung des BR „auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung“ kann auch, insbesondere in größeren Betrieben, zu einer Vereinnahmung bis hin zum Co-Management führen. Hier muss die Gewerkschaft ein Gegengewicht bilden.


Tarifpolitik – Wie verhält sich die FAU Göttingen im Tarifgeschehen?

Grundsätzlich sind Tarifverträge eine Errungenschaft, denn mit ihnen wird Erkämpftes abgesichert. Durch sie gelten kollektive Standards für Lohnabhängige und nicht die Willkür der Bosse gegenüber den Einzelnen. In der Praxis sind Tarife aber eine zweischneidige Angelegenheit. Nicht nur haben die „Arbeitgeber“ gelernt, damit umzugehen, auch das deutsche Arbeitsrecht hat die tariflichen Möglichkeiten stark reglementiert.

Die institutionalisierte Tarifpolitik ist zäh. In wiederkehrenden Tarifrunden feilschen Gewerkschaftsfunktionäre mit den Bossen um wenige Prozentpunkte. Nicht selten endet dies im Reallohnverlust. Vor allem die unteren Lohngruppen sind häufig benachteiligt, während wichtige Probleme unter den Tisch fallen. Anschließend gilt für die Lohnabhängigen die Friedenspflicht, weswegen sie nicht mehr auf aktuelle Entwicklungen reagieren können.

Die aktuelle Rechtsprechung ist stark an Zentralapparaten orientiert. Wir verstehen uns daher als Bahnbrecher neuer Tarifaktivitäten. Sie sind bei uns eng an die betriebliche Basis geknüpft. Offensive und nachhaltige Forderungen sind uns ebenso wichtig wie die Angleichung der Lohngruppen. Bestehende Standards dürfen niemals unterschritten werden. Zudem versuchen wir, Alternativen zum Tarifvertrag zu entwickeln, um flexibel zu bleiben.


Gewerkschaftsfreiheit – Wie geht die FAU Göttingen mit den rechtlichen Bedingungen um?

Gewerkschaftsfreiheit und das Recht auf Streik sind für uns Grundrechte. Dass sich Arbeiter_innen zusammenschließen, frei agieren und Arbeitskämpfe durchführen können, ist notwendiges Moment einer Zivilgesellschaft. Daher wenden wir uns gegen jeden Versuch, die Gewerkschaftsfreiheit oder das Streikrecht einzuschränken. Wir setzen uns auch weltweit für Gewerkschaftsfreiheit ein.

Das deutsche Arbeitsrecht ist ein besonders restriktives. Dies ist auf das Wirken nationalsozialistischer Kontinuitäten zurückzuführen, hängt aber auch mit der DGB-Befriedungspolitik zusammen. Vor allem mit dem Konstrukt der „Tariffähigkeit“ wurden im Richterrecht Richtlinien festgelegt, die selbstorganisierte Betriebskämpfe erschweren. Immerhin gibt es juristische Minderheitspositionen, die für Gewerkschaftsfreiheit eintreten.

Wir versuchen, den Spielraum für selbstorganisierte Arbeitskämpfe in und außerhalb der FAU grundsätzlich zu erweitern. Dabei schrecken wir vor juristischen Auseinandersetzungen nicht zurück. Doch in der Hauptsache gilt es, die Präsenz in den Betrieben zu verstärken und Arbeitskämpfe erfolgreich zu Ende zu führen. Denn es sind die Kämpfe selbst, mit denen wir die Spielregeln verändern und Gewerkschaftsrechte durchsetzen können.


Sozialorganisation – Was macht die FAU Göttingen jenseits der Betriebe?

Für uns hört die Gewerkschaftsarbeit mit der Arbeitswelt nicht auf. Denn was nutzen uns höhere Löhne, wenn zugleich die Miete steigt? Was unsere betrieblichen Rechte, wenn wir erwerbslos sind? Was mehr Freizeit, wenn uns das Essen krank macht? Was Quotenregeln, wenn Diskriminierungen im Alltag anhalten? Diese Bereiche müssen mit der Arbeitswelt zusammengedacht werden. Wir haben daher ein umfassendes Verständnis von Gewerkschaft.

Wir organisieren uns, um für bessere Lebensbedingungen zu kämpfen. Das gilt auch für die sozialen Bereiche jenseits der Betriebe. Mieter_innensektionen etwa könnten die Macht von Mieter_innen bündeln und offensiv kollektive Standards durchsetzen.

Das Konzept der gewerkschaftlichen Sozialorganisation macht es möglich, Forderungen, Aktivitäten oder Umgestaltungen in verschiedenen Bereichen abzustimmen und Synergieeffekte zu nutzen. Es ist auch eine Antwort auf individualisierte und flexible Arbeits- und Lebensverhältnisse. Denn durch eine Organisierung entlang der sozialräumlichen Ebene können auch vereinzelte Lohnabhängige besser Anschluss an die Gewerkschaft finden.


Kollektivbetriebe – Welchen Stellenwert haben Kollektivbetriebe für die FAU Göttingen?

Für einige ist die Arbeit in einem Kollektivbetrieb politisches Konzept oder drückt zumindest den Willen aus, ohne Chef zu arbeiten. Für andere ist sie eher Zufall oder sogar aus der Not geboren. In jedem Fall stehen Kollektivbetriebe nicht außerhalb des Kapitalismus. Sie sind ebenso den Marktmechanismen unterworfen, und die Arbeitsbedingungen, die dort herrschen, bleiben nicht ohne Auswirkung auf die der jeweiligen Branche – im Positiven wie im Negativen.

Die FAU versucht einen Ansatz zu finden, der den dort Arbeitenden gerecht wird und sie in eine breitere Bewegung integriert. Im besten Falle sind Kollektivbetriebe dann Orte des sozialen Experiments und stärken sich in einer Wirtschaftsföderation gegenseitig. Sie können zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Einzelner führen und als Schule für eine zukünftige Neuordnung von Wirtschaft und Gesellschaft dienen.

Bleiben sie jedoch isoliert, haben sie dem Druck des Marktes wenig entgegenzusetzen, was sich etwa in der Tendenz zur Selbstausbeutung oder der Rückkehr zu „normalen“ Betriebsstrukturen ausdrückt. Dies ist weder im Interesse der Arbeiter_innen innerhalb noch außerhalb eines Kollektivbetriebs. Wir begrüßen es daher, wenn Arbeiter_innen aus solchen Betrieben oder gesamte Kollektive sich in der FAU organisieren.

Ohne Chef arbeiten? Basisdemokratisch und selbstorganisiert?
In der union coop // föderation haben sich Betriebe zusammengeschlossen,
die diesen Weg gehen. www.union-coop.org


Konsum – Wie bezieht die FAU Göttingen den Konsumbereich ein?

Konsum und Produktion sind zwei Seiten einer Medaille: Lohnabhängige produzieren zu schlechten Löhnen Waren, die Lohnabhängige zu überteuerten Preisen konsumieren. Das Ausbeutungsverhältnis ist somit doppelt flankiert. Doch so wie aus der kollektiven Organisierung als Produzent_innen ökonomische Gegenmacht entsteht, so bietet auch die Organisierung als Konsument_innen Potentiale.Gewerkschaften sollten diesem Sachverhalt Rechnung tragen und die Konsumseite in ihre Strategie einbeziehen. So kann die Macht von Konsument_innen ergänzend in Arbeitskämpfen eingesetzt werden, etwa in Form von Boykotts oder Konsumstreiks. Damit wird der „Arbeitgeber“ doppelt unter Druck gesetzt.

Eine Gewerkschaft, die Konsument_innen dauerhaft in ihr Handeln einbezieht, kann solche Methoden besonders effektiv gestalten.Auch die Interessen von Konsument_innen selbst sollten Berücksichtigung finden. So kann die Gewerkschaft ihre betriebliche Macht dazu nutzen, qualitative Standards und niedrigere Preise für Produkte und Leistungen einzufordern. Auch Konsumorganisationen sind in der FAU perspektivisch denkbar, insbesondere im Zusammenhang mit Kollektivbetrieben. Von einer solchen Verbindung können alle Beteiligten nur profitieren.