Für einen kämpferischen Feminismus!
Zum diesjährigen feministischen Kampftag am 8. März haben wir uns an der Mittagskundgebung und der Demonstration in Göttingen beteiligt. Unseren Redebeitrag findet ihr hier zum Nachlesen:
„Zuerst einmal: Solidarität mit den Streikenden! [Anmerkung: Am 08.03. haben die Beschäftigten des Sozial- & Erziehungsdienstes gestreikt] Wir wünschen euch viel Kraft in eurem Kampf!
Verzeiht mir die Direktheit, aber wir müssen mal ehrlich sein: Es reicht!
Schon so lange müssen wir mit der Ausbeutung und Unterdrückung leben, die dieses System uns jeden Tag erneut aufzwingt. Schon so lange müssen wir, wie unsere Vorgänger:innen gegen dieses System kämpfen. Schon so viele haben ihre Freiheit und ihr Leben geben müssen für diesen Kampf. Wir sagen: Es reicht!
Täglich werden wir auf unser Geschlecht und unser Äußeres reduziert. Täglich werden wir als Objekte behandelt – egal ob zur Befriedigung männlicher Lust, uninformierter Neugier oder kapitalistischer Profitmaximierung.Täglich werden wir von Menschen zu Dingen gemacht. Wir sagen: Es reicht!
Seit so langer Zeit sollen wir uns um Kinder und Haushalt kümmern. Seit so langer Zeit sollen wir immer nur freundlich und hilfsbereit sein. Seit so langer Zeit sollen wir uns immer nur um alle kümmern und bloß nicht ausreißen. Bloß nicht anders als erwünscht sein.Wir sagen: Es reicht!Immer sollen wir schön lieb und leise sein. Immer schön den Mund halten. Immer bloß nichts hinterfragen oder gar kritisieren. Wir sagen: Es reicht!
Seit Jahrhunderten laufen Kapitalismus und Patriarchat Hand in Hand – auf unserem Rücken. Wir sollen unbezahlt oder für wenig Geld arbeiten, damit diejenigen, die ohnehin so viel haben, noch mehr Vermögen anhäufen.Wir sollen nur das brave Rädchen in der großen Maschine sein. Und weil wir vielen kleinen Rädchen ja bemerken könnten, dass wir gemeinsam diese ganze elende Maschine einfach stoppen könnten, werden wir eingeteilt und aufeinander gehetzt.
Unseren Brüdern sagen sie – mal offener, mal subtiler – „du hast zwar nichts und musst den ganzen Tag schuften. Aber wenigstens kannst du dich zuhause wie ein König fühlen“. Und wir sollen dann neben der ganzen Lohnarbeit auch noch unsere eigene Arbeitskraft und die all der cis Männer in unserem Leben wiederherstellen. Sollen ihnen ihre wenige Freizeit so angenehm wie möglich machen – als wären wir nicht auch Menschen! So werden wir gegeneinander ausgespielt und es wird uns allen, auch unseren Brüdern, die Perspektive auf eine wirkliche Befreiung genommen.
Und wir sind hier in Deutschland ja sogar noch die Glücklicheren. Denn im Globalen Süden werden unsere Geschwister nicht ’nur‘ ausgebeutet, sondern es werden auch Kriege gestartet, ganze Landstriche verwüstet, Kinder versklavt, das Wasser mit industriellem Abfall vergiftet, und so viel schreckliches mehr um die Profite von Großunternehmen zu sichern. Kurzum, das Land und viele unserer Geschwister werden vergewaltigt, gefoltert und ermordet.
Aber wir müssen auch gar nicht in den globalen Süden schauen, zu den grausamsten Exzessen den Kapitalismus. Auch hier, im ach so schönen, westlichen, freien, demokratischen Deutschland werden jedes Jahr über 100 Frauen von ihrem Partner oder Expartner ermordet. Auch hier lebt mehr als ein Fünftel aller Kinder in Armut, das sind fast 3 Millionen. Auch hier müssen sich Frauen, insbesondere trans Frauen, prostituieren, um zu überleben. Auch hier leben Menschen ohne Obdach auf der Straße. Auch hier schaut die Polizei nur zu, wenn Menschen of Color ermordet werden – wenn sie nicht gleich selber die Täter sind. Auch hier wird trans Menschen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt. Auch hier werden Menschen mit Behinderung rechtlich quasi zur Armut verpflichtet. Auch hier leben Menschen mit Hunger, ohne Zugang zu Medikamenten, in Armut und mit all den anderen Formen von Gewalt.
Denn wir müssen das nochmal so deutlich sagen: Jeder Person, die Hunger leidet, wird Gewalt angetan. Jeder Person, die keinen Zugang zu Medikamenten hat, wird Gewalt angetan. Jeder Person, die kein eigenes Obdach hat, wird Gewalt angetan. Jeder Person, die eine Beziehung nicht verlassen kann, weil sie von ihrem Partner finanziell abhängig ist, wird Gewalt angetan. Jede Person, die ihr Geschlecht oder ihre Sexualität aus Angst um ihr Leib und Leben verstecken muss, wird Gewalt angetan. Und jeder Person, die nicht weiß, nicht deutsch, nicht cis, nicht hetero und nicht männlich ist, wird in dieser Gesellschaft aus diesem Grund Gewalt angetan.
Um es kurz zu machen: Jeder Person, die ihre Arbeitskraft oder ihren Körper verkaufen muss, um überleben zu können – und das sind wir fast alle – wird Gewalt angetan. Der Unterschied liegt nur in der Art und dem Ausmaß der Gewalt. Und viel zu viele von uns, bezahlen die Rechnung der Reichen jedes Jahr mit ihrem Leben.
Doch was nun? Das klingt ja alles ziemlich bedrückend – um es nett zu formulieren. Aber was können wir schon tun? Nun, wir können – und wir müssen! – dieses sexistische, rassistische, ausbeuterische und mörderische System stürzen!
Das mag jetzt total unrealistisch und radikal klingen. Aber seinen wir mal ehrlich: Seit Jahrhunderten kämpfen unsere Vorfahr:innen für eine bessere Gesellschaft und ein besseres Leben. Gegen dieses System, dass jedes Jahr unzählige Menschen ermordet und noch mehr von uns in Unfreiheit und Ausbeutung gefangen hält.Und wir haben um Veränderung gebeten. Haben nett gefragt. Haben Petitionen geschrieben. Haben gewählt. Wir haben demonstriert. Haben Reden gehalten und Bücher geschrieben. Haben diskutiert und philosophiert. Aber an den Eigentumsverhältnissen geändert hat sich nichts.
Die Zeit ist um! Wir können nicht länger zusehen, wie der Planet zermahlen wird und wir alle mit ihm.
Doch was können wir tun? Natürlich haben wir keine perfekte Antwort, aber bei einer Sache sind wir uns sicher. Was wir brauchen ist Organisation. Wir müssen mehr werden, viele werden. Wir müssen uns unserer eigenen Macht bewusst werden und sie für unser aller Befreiung nutzen. Nur organisiert können wir die Aktionen durchführen, die wir brauchen – egal ob politische Streiks, Blockaden, gesellschaftliche Selbstversorgung oder was auch immer. Darum: organisiert euch und organisiert andere!
Wir freuen uns, wenn ihr zu uns – der Freien Arbeiter*innen-Union – kommt und mit uns am Arbeitsplatz und darüber hinaus gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpft. Aber wenn euch Gewerkschaft – oder zumindest unsere – nicht liegt, dann organisiert euch woanders! Das ist kein Teamsport, sondern unsere historische Verantwortung!
Schaut, wo ihr im Leben steht; schaut, was euch bewegt; und schließt euch mit anderen zusammen! Nur wenn wir alle nach unseren Möglichkeiten kämpfen, haben wir eine Chance. Aber wenn wir kämpfen, dann haben haben wir so viel zu gewinnen.
In dem Sinne: Für einen kämpferischen Feministischen Kampftag! Für ein kämpferisches feministisches Jahr! Für eine kämpferische feministische Welt!
Für die Freiheit! Für den Feminismus! Hoch die internationale Solidarität!“